Die Geschichte ist nicht mehr so ganz aktuell, aber immer noch skurril genug, um darüber zu berichten. Überhaupt ist das Wettbewerbsrecht immer mal wieder für einen Lacher gut, so auch hier:
Stein des Anstoßes war ein – inzwischen etwas gekürzter (dazu komme ich noch) – Werbespot des Unternehmens Kaffee Partner:
Im Grunde ein harmloser und ganz lustiger Werbespot – sollte man zumindest meinen. Ein Mitbewerber sah das allerdings anders und beantragte
im Wege der einstweiligen Verfügung […], der Antragsgegnerin zu untersagen, mit dem nämlichen Werbespot für Kaffee-Frischbrüh- und Kaffee-Vollautomaten zu werben und zwar mit der Begründung, dass die angegriffene Werbung den Kaffeefilter bzw. Filterkaffeemaschinen in unlauterer Weise herabsetze und verunglimpfe. Zudem sei der Werbespot irreführend, da den angesprochenen Verkehrskreisen, der falsche Eindruck vermittelt werde, als wäre die Kaffeezubereitung mittels einer Filterkaffeemaschine mit einem unverhältnismäßig hohen Zeitaufwand verbunden, so dass die zur Zubereitung erforderlichen Arbeitsschritte bevor auch nur eine Tasse Kaffee zubereitet worden sei, bereits Personalkosten in Höhe von 3,20 € auslösten.“ (LG Hamburg, 27. Zivilkammer, Urteil vom 07.01.2010, 327 O 585/09, Rn. 5)
Soweit den seinerzeit dazu veröffentlichten Meldungen Glauben geschenkt werden darf, umfasste die von neun (!) Anwälten verfasste Antragsschrift fast 80 Seiten. Da fragt man sich doch, welcher Aufwand erst betrieben wird, wenn es um eine wirklich bedeutsame Frage geht. Wobei: Für Melitta mag das schon eine Frage der Ehre (ihrer Filtertüten) gewesen sein.
Umfangreiche Antragsschrift hin oder her: Das Landgericht Hamburg folgte den Anträgen nur zum Teil, wobei es auf die „Verunglimpfung der Filtertüte“ im Ergebnis nicht (mehr) ankam, zumindest konnte das Gericht die Frage schlicht unbeantwortet lassen. Im Übrigen aber ging es im Ergebnis zu Recht von der irreführenden Wirkung des Werbespots aus, denn der
angegriffene Werbespot ist irreführend im Sinne von § 5 Abs.1 Nr.1 UWG. Der Werbespot enthält eine konkrete bezifferte Angabe zu den bei der Zubereitung von Kaffee mit Hilfe einer herkömmlichen Kaffeefiltermaschine entstehenden Personalkosten, die unrichtig und irreführend ist.
Der Werbespot ist geeignet, bei den angesprochenen Verkehrskreisen den falschen Eindruck zu erwecken, bereits die im Werbespot gezeigten Arbeitsschritte bei der Zubereitung eines Kaffees mit einer Filterkaffeemaschine lösten Personalkosten in Höhe von 3,20 € aus. […]
In dem angegriffenen Werbespot ist indes in der Zeit, in der bereits 3,20 € Personalkosten entstanden sein sollen, was nach dem Vortrag der Antragsgegnerin einem zeitlichen Aufwand von 10 Minuten widerspiegeln soll, die Kaffeezubereitung noch nicht beendet, sondern vielmehr erst die aufgezeigten Vorbereitungsschritte durch die Sekretärin vollbracht worden.
Schon aus diesem Grund stellt die Behauptung, bei dem im Werbespot gezeigten Arbeitsschritten entstünden Personalkosten in Höhe von 3,20 €, eine unwahre Tatsachenbehauptung dar. […]
Die dargestellte Irreführung ist auch von geschäftlicher Relevanz, da die Zubereitungsdauer und die damit korrespondierenden Personalkosten für die angesprochenen Verkehrskreise, insbesondere Gewerbetreibenden, einen wesentlichen Gesichtspunkt ausmachen, der geeignet ist, den Entschluss, welche Zubereitungsmethode in seinem Betrieb genutzt werden soll, nicht unerheblich zu beeinflussen.
Ob der Werbespot neben dieser Irreführung auch eine unlautere Herabsetzung der Antragsstellerin in ihrer Funktion als Herstellerin und Vertreiberin von Kaffeefiltern bzw. Kaffeefiltermaschinen beinhaltet, oder ob er sich vielmehr im Bereich einer wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstandenden humoristisch überspitzten Darstellungsform bewegt, kann nach allem offen bleiben. (LG Hamburg, 27. Zivilkammer, Urteil vom 07.01.2010, 327 O 585/09, Rn. 29 ff.)“
Schade, dass sich das Gericht damit um die Beantwortung der hier eigentlich spannenden Frage herumdrücken konnte:
Wann ist die Grenze der „wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstandenden humoristisch überspitzten Darstellungsform“ überschritten und wann liegt damit ggf. auch ein Wettberwerbsverstoß vor? Soweit es jedenfalls die Filtertüte betrifft, sind wir nun immer noch nicht wirklich schlauer.
Dennoch ein insgesamt nicht nur wegen des reichlich skurril erscheinenden Sachverhalts lesenswertes Urteil, anhand dessen sich die Voraussetzungen des Erlasses einer einstweiligen Verfügung wegen einer unlauteren geschäftlichen Handlung anschaulich nachvollziehen lassen:
- Konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien: Es muss sich tatsächlich um Mitbewerber handeln (vgl. § 3 Abs. 1 UWG).
- Das abgemahnte Verhalten müsste auch unlauter sein. Das ist es nach § 5 Abs. 1 UWG, wenn es sich dabei um eine irreführende geschäftliche Handlung handelt. Die kann z. B. aus der Behauptung unwahrer Tatsachen bestehen.
- Nicht jede unlautere Handlung ist zugleich unzulässig im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG. Unzulässig ist die Handlung erst dann, wenn sie geeignet ist, „die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.“ (§ 3 Abs. 1 UWG). Anders gesagt: Die irreführende Handlung muss auch von „geschäftlicher Relevanz“ sein. Ist sie das nicht, überschreitet sie die Bagatellgrenze nicht.
- Wiederholungsgefahr im Hinblick auf kerngleiche Verstöße: Dazu noch einmal das LG Hamburg:
Ist es zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, streitet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (stRspr; BGH GRUR 1997, 379, 380 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; BGH GRUR 1997, 929, 930 – Herstellergarantie; BGH GRUR 2001, 453, 455 – TCM-Zentrum; BGH GRUR 2002, 717, 719 – Vertretung der Anwalts-GmbH). Ein Widerlegung dieser Vermutung durch den Verletzten gelingt im Allgemeinen nur dadurch, dass der Verletzer eine bedingungslose und unwiderrufliche Unterlassungsverpflichtungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung abgibt (BGH GRUR 1984, 214, 216 – Copy-Charge; BGH GRUR 1984, 593, 595 – adidas-Sportartikel; BGH GRUR 1985, 155, 156 – Vertragsstrafe bis zu . . . I; Teplitzky GRUR 1983, 609 ff.).“ (LG Hamburg, 27. Zivilkammer, Urteil vom 07.01.2010, 327 O 585/09, Rn. 44)
- Verfügungsgrund der Dringlichkeit: Schließlich kann das Gericht eine einstweilige Verfügung regelmäßig nur dann erlassen, wenn neben dem Verfügungsanspruch (dazu oben 1.-4.) auch ein Verfügungsgrund, also die Eilbedürftigkeit oder Dringlichkeit gegeben ist. Im Wettberwerbsrecht jedoch wird die Dringlichkeit nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet bzw. sie muss hier nicht dargelegt und glaubhaft gemacht werden.
Für ein von einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung betroffenes Unternehmen folgt daraus, sofort einen Anwalt mit der Prüfung der Abmahnung zu beauftragen und dann – sollte die Abmahnung berechtigt sein – innerhalb der von der abmahnenden Partei gesetzten Frist eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Das kann ohne Eingeständnis einer Schuld oder Anerkennung von Rechtspflichten geschehen. Wichtig ist nur, den Vorwurf der Wiederholungsgefahr auszuräumen, denn sonst droht – wie im hier dargestellten Fall – eine einstweilige Verfügung.
Ist die bereits erlassen, sollte sich ein Widerspruch dagegen nicht auf den Verfügungsanspruch beschränken, sondern es sollten – soweit sinnvoll möglich – auch Ausführungen zum Verfügungsgrund gemacht werden, um die Dringlichkeitsvermutung aus § 12 Abs. 2 UWG zu widerlegen.
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