So etwas…

„Es fehlt an einem geordneten, schlüssigen und nachvollziehbaren Vortrag, der die gerügten Grundrechtsverletzungen belegen könnte.“

…könnte ich glatt als Korrekturanmerkung an den Rand einer der zahllosen studentischen Arbeiten geschrieben haben, die ich während meiner Lehrtätigkeit an der Universität Lüneburg lesen musste durfte und darf.

Das wäre auch gar nicht weiter schlimm, denn ich bilde(te) regelmäßig Nichtjuristen aus, die sich ohnehin nur im Nebenfach mit Recht befassen müssen.

Schlimm wird es aber dann, wenn das Bundesverfassungsgericht so etwas einem Anwalt ins Stammbuch schreibt. Einem Profi, der sich im Hauptfach auch mit Verfassungs(verfahrens)recht beschäftigen muss(te), dürfte sowas nicht passieren. Im konkreten Fall verhängte das Gericht dafür auch eine Missbrauchsgebühr gegen ihn – und das absolut zu Recht, denn es kommt noch besser schlimmer:

„Die Beschwerdeschrift ist vielmehr gekennzeichnet durch sachlich nicht gerechtfertigte und mutwillig erscheinende Wiederholungen, eine kaum nachvollziehbare Aneinanderreihung der beigefügten Unterlagen sowie von unbelegten Vorwürfen gegenüber den Fachgerichten. Diese reichen von Rechtswidrigkeit und Willkür über die Behauptung der „wahnähnlichen Verkennung des Verfassungsrechts“ durch ein Fachgericht bis hin zu teilweise direkt, teilweise indirekt erhobenen Verdächtigungen, Richter hätten sich einer Straftat schuldig gemacht, und das, obwohl gegen den Beschwerdeführer bereits in dieser Sache ein Strafbefehl wegen versuchter Nötigung des Amtsgerichts erlassen worden war.“

Also so deutlich musste ich bei der Durchsicht studentischer Arbeiten noch nie (gut: allenfalls ganz selten einmal…) werden.

Als vollends pythonesk stellt sich der Fall schließlich angesichts seines Hintergrundes dar:

„Die einschließlich der vorab per Telefax übermittelten Schriftstücke 1.182 Seiten [sic!, Verf.] umfassende Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von 175 € sowie eines Fahrverbots für die Dauer von zwei Monaten wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit. Nach siebentägiger Hauptverhandlung verwarf das Amtsgericht Erding den Einspruch, weil der Beschwerdeführer, der selbst Rechtsanwalt ist, ohne hinreichende Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht durch seinen Verteidiger vertreten worden ist.“

Spätestens hier bleibt mir als Anwalt – Sinn für schrägen Humor hin oder her – das Lachen im Halse stecken: Mag sich der „Kollege“ (man traut sich ja kaum mehr, ihn als solchen zu bezeichnen…) auch noch so sehr in seinen Grundrechten verletzt gefühlt haben, aber deswegen so einen Aufwand zu betreiben und es dann immer noch nicht zu schaffen, seine Beschwerde halbwegs zu begründen – nun ja… Das sind so die Momente, in denen ich mir den „Idiotentest“ (MPU) auch für Anwälte wünsche.

Bei aller berechtigten Häme: Man mag das alles halbwegs witzig finden, nur leider führen nicht zuletzt derart unzureichend begründete schwachsinnige Beschwerden zur ständigen Überlastung des Gerichts, unter der letztlich alle anderen Beschwerdeführer zu leiden haben. Und das empfinde ich schlicht als ungerecht – oder sehe ich das zu eng?

Sonst halte ich nicht viel von Kollegenschelte, zumal ich – wie jeder Mensch – auch nicht frei von Fehlern bin. Hier geht es aber nicht mehr um durchaus zu verzeihende Fehler, sondern schlicht um bewusst rechtsmissbräuchliches Verhalten und das sollte nicht hingenommen werden.

Insofern hätte die Missbrauchsgebühr hier gerne noch etwas höher ausfallen dürfen…

Übrigens: Deren Verhängung stellt absolut keinen Einzelfall dar, wie der jüngste Fall vom 24. August 2010 zeigt. Auch hier bemühte sich die Verfassungsbeschwerde…

„…noch nicht einmal um eine den Anforderungen an eine zulässige Verfassungsbeschwerde genügende Begründung.“

Auch wenn es hart klingen mag: Solche Verfassungsbeschwerden stellen meines Erachtens – wie es der Titel des Beitrags schon andeutet – schlicht einen Rechtsmissbrauch dar.

Nun aber genug über „Kollegen“ geärgert, nicht zuletzt „Dank“ denen das Ansehen der Anwaltschaft in jüngerer Vergangenheit doch etwas gelitten haben dürfte.

Der nächste Beitrag fällt dann wieder erfreulicher aus – versprochen :)!

Quellen:

Halt, halt: Einen habe ich dann doch noch dazu:

„Der Beschwerdeführer, der selbst Rechtsanwalt ist, und sein Bevollmächtigter wurden auf die Zulässigkeitsbedenken durch das Schreiben des Präsidialrats des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich hingewiesen. Beide hätten ohne weiteres erkennen können und müssen, dass die Verfassungsbeschwerde verfristet war und der Wiedereinsetzungsvortrag nicht einmal den Mindestanforderungen genügt. Darüber hinaus war für einen Rechtsanwalt auch ohne weiteres erkennbar, dass die Verfassungsbeschwerde auch sonst völlig aussichtslos war.“

[ohne Worte…]