Die Teilnahme an der Sitzblockade einer öffentlichen Straße ist nicht immer wegen Nötigung (§ 240 StGB) strafbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 7. März 2011 (Az. 1 BvR 388/05) ausdrücklich festgestellt.

Das Landgericht Frankfurt a. M. war bei seiner Entscheidung zwar (noch) zutreffend davon ausgegangen, dass im zu entscheidenden Fall objektiv eine Nötigung (in mittelbarer Täterschaft – auch insofern ist die Entscheidung absolut lesenswert!) vorlag. Die Tat musste aber auch rechtswidrig sein und das ist sie nach § 240 Abs. 2 StGB nur dann,

wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.“

Hier kam es also entscheidend darauf an, ob die Nötigungshandlung auch als „verwerflich“ anzusehen war.

Dazu das Bundesverfassungsgericht:

Das Landgericht hat bei der Abwägung den Zweck der Sitzblockade, Aufmerksamkeit zu erregen und so einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, als einen für die Verwerflichkeit der Tat sprechenden Gesichtspunkt zulasten des Beschwerdeführers gewertet, obwohl dieses sogar den sachlichen Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG eröffnet und damit eine Abwägung zwischen der Versammlungsfreiheit und den hierdurch betroffenen Rechtsgütern Dritter überhaupt erst erforderlich macht. Des Weiteren hat das Landgericht verkannt, dass der Kommunikationszweck nicht erst bei der Strafzumessung, sondern im Rahmen der Verwerflichkeitsklausel gemäß § 240 Abs. 2 StGB, mithin bereits bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit, zu berücksichtigen ist.“ (a. a. O., Rn. 41)

Im Ergebnis hatte das Landgericht damit die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG verkannt oder jedenfalls nicht hinreichend berücksichtigt.

Besonders ärgerlich in dem Zusammenhang ist die fehlerhafte Verortung der Berücksichtigung des Kommunikationszwecks: Hätte das Landgericht den bereits bei Prüfung der Verwerflichkeit berücksichtigt, hätte es zu dem Ergebnis kommen müssen (oder zumindest können), dass die Strafbarkeit hier mangels Verwerflichkeit und damit fehlender Rechtswidrigkeit zu verneinen ist. Prüft man das aber erst bei der Strafzumessung… – nun ja, dann ist das natürlich etwas zu spät, denn Überlegungen zur Strafzumessung werden erst dann angestellt, wenn die Strafbarkeit im Übrigen schon gegeben ist.

Alles in allem eine wirklich lesenswerte Entscheidung – nicht nur für meine Studierenden, sondern wohl auch für das eine oder andere Amts- oder Landgericht…

Quellen: